Japan, 1941/-42
Regie: Kenji Mizoguchi
So, bevor ich loslege muss ich erstmal noch was loswerden, das mir seit der Recherche für das Review auf den Nägeln brennt:
Liebe Filmrezensenten, schreibt ihr eigentlich alle voneinander ab? Oder habt ihr einfach Angst, man könnte euch in eine Nazischublade stecken? “The Loyal 47 Ronin” ist ein in seiner Entstehungszeit herausragender und wegweisender Film, gar keine Frage. Aber warum muss ich in jedem verf***ten Review so einen Standardsatz lesen, irgend so was in die Richtung, dass das Regime einen vor Nationalismus sprühenden Propagandafilm von Mizoguchi wollte, er aber, ganz subversiv, ein super kritisches, propagandafreies Meisterwerk abgeliefert habe? Hallo, geht’s noch? Muss euch ein Film erst mit dem Holzhammer einbläuen wie böse doch die Amis und Soviets sind, wie toll das Vaterland und wie richtig es ist, einen Krieg zu führen, damit ihr propagandistische Tendenzen erkennt? Ein sehenswerter, stilistisch sogar bahnbrechender Film ist es geworden, und das ist Mizoguchis herausragendem Talent zu verdanken. Auch ist es gut möglich, dass Mizoguchi bewusst gegen die Intentionen der Japanischen Regierung arbeitete, schließlich ist er ja nicht der Japanische Veit Harlan, sondern ein angesehener Regisseur, der wie alle seine Kollegen sich dem Druck von oben beugen musste. Trotzdem ist dem Streifen vom Anfang bis zum Ende die gleiche Intention zu entnehmen wie vielen der deutschen Vorbehaltsfilme aus dem dritten Reich, nämlich der Aufruf zu bedingungsloser Loyalität und blindem Gehorsam, die Erziehung der Bevölkerung zu bereitwilligen Opfern, deren größtes Ziel der “Heldenhafte” Märtyrertod ist. Japanische Geschichte und Tradition hin, Bushido her, in späteren Filmen sehe ich diese Thematik doch um einiges kritischer und reflektierter durchleuchtet. Ihr wollt mir nicht glauben? Dann schaut euch doch zum Beispiel mal Kobayashi’s “Harakiri” an. Also was ist euer verdammtes Problem? Findet den Film doch einfach gut, das ist er auch. Aber fangt auch endlich an, ihn als das zu sehen, was er ganz offensichtlich ist: ein von der damaligen Ideologie durchdrungener Propagandafilm, wenn auch ein großartig inszenierter.
Jetzt aber mal zum Film selber. “The Loyal 47 Ronin” ist ein ganz ungewöhnlicher Jidai Geki in seinem Verzicht auf jegliche Action und mit seinen langen Plansequenzen. Annähernd vier Stunden nimmt Mizoguchi sich Zeit, um die Geschichte um die herrenlos gewordenen Samurai und ihren ausgefuchsten Racheplan zu erzählen. Das aus erzählerischer Sicht interessanteste Detail ist dabei meines Erachtens, dass das zentrale Ereignis, der Angriff auf Kiras Residenz und seine Ermordung, erst gar nicht gezeigt wird. Der Zuschauer erfährt davon nur durch die nachfolgenden Dialoge und der Film konzentriert sich daraufhin ganz auf den “ehrenvollen” Selbstmord der Helden. Das ist der Punkt, an dem sich der Film für mich, bei allem Respekt vor Mizoguchis inszenatorischen Fähigkeiten, ins perverse verkehrt. Das ganze letzte Viertel verbringt der Film damit, die 47 unreflektiert als große Helden zu verehren, stellt den Seppuku als etwas bewunderns- und erstrebenswertes, furchtbar ehrenwertes dar. Wie gesagt, die Regierung wollte Kanonenfutter und die Geschichte der 47 Ronin stellt sich als perfektes Vehikel heraus, den “Traum” vom bereitwilligen Opfertod in den Köpfen der Bevölkerung zu stärken.
In seiner Inszenierung schöpft Mizoguchi dabei alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel aus, und die waren nicht gering. Mit der Rückendeckung der Regierung konnte er locker das fünffache des üblichen Budgets verprassen und dabei so anderthalb Filmstudios in den Ruin treiben. Seine Bildgestaltung und Kameraführung ist einfach atemberaubend, selten erzeugte ein Film bei mir so einen tiefen Eindruck von Räumlichkeit. Seine langen Sequenzen sind ständig in Bewegung, anstelle von Schnitten bewegt sich die Kamera beständig, folgt den Protagonisten durch die Szenerie und bettet sie immer in einen größeren Kontext ein. Nie fokussiert sie auf einzelne Charaktere, sondern sie inszeniert das Ensemble, rückt neue Charaktere durch gekonnte Fahrten und Schwenks ins Bild. Oft erscheint ihr der Raum wichtiger, als seine Insassen und nicht selten werden Wände oder Einrichtungsgegenstände fokussiert während die Protagonisten sich als unscharfe Farbkleckse (naja, eher Graustufenkleckse) darin bewegen. Unglaublich visionär und erfrischend wirkt das wenn man zum Vergleich die unglaublich statischen Bilder heranzieht, die dann selbst in den Fünfziger Jahren noch weiter die Genrelandschaft dominieren sollten.
Einige Fragezeichen wirft die Erzählweise auf. Sie leistet sich nur wenige offensichtliche Schwächen, trotzdem wäre es sehr interessant wie einige Szenen ausgesehen hätten, hätte Mizoguchi komplett freie Hand gehabt. Aufgeräumt und nachvollziehbar kommt die Handlung daher, einzelne Charaktere sind durchaus gut ausgearbeitet, doch immer wieder kommen diese seltsamen Dialoge vor, die in mir den unangenehmen Eindruck erwecken, zu dem Publikum seiner Zeit zu Predigen und ihnen erklären zu wollen, warum das alles gerade so Heldenhaft ist. Und zum Schluss wird dann noch den Frauen Japans erklärt, warum sie ihre Männer nicht vom Opfertod abhalten sollen. Bäh… Am Ende entkommt der Film dann halt doch nicht seinem eigenen Schatten. Unglaublich sehenswert, großartig in Szene gesetzt, stellenweise aber auch ganz schön abstoßend in seiner Moral. Und genau deshalb möchte ich hier auch auf die übliche euphorische Jubelwertung verzichten.
Wertung: 7/10
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